Handlungsorte sind ein wunderbares Werkzeug, mit dem du deinem Roman das gewisse Extra verleihen kannst. Sie haben selbst Charakter und können sogar deine Handlung wesentlich stützen.
Abseits von Fantasy-Romanen werden sie jedoch gerne sträflich vernachlässigt. Manchmal muss sogar ein Roman umgeschrieben werden, weil der Handlungsort dem Verlag oder dem Agenten nicht in den Marketingplan passt.
Im Liebesroman wird der Handlungsort zwar romantisch gesetzt (zum Beispiel Irland, Cornwall oder Paris) aber nicht für den Plot genutzt. Heißt, das Setting wird so flach beschrieben, dass man es beliebig austauschen könnte. Um das absolut Beste aus deinem Roman herauszuholen, solltest du einen Grund finden, warum der Roman nur an diesem Ort spielen kann. Die Antwort sollte nicht sein: Weil Liebesromane, die in Irland spielen, gerade „in“ sind.
Im Thriller ist der Klassiker ein Keller in einem verlassenen Haus, in dem der Protagonist gefoltert wird. Beschreibe diesen Ort so, dass es er die Persönlichkeit des Antagonisten und am besten das Thema widerspiegelt. Dann erst wird er einzigartig und lässt den Leser bei der bloßen Erwähnung vor Angst zittern.
Aber wie findest du nun den perfekten Handlungsort? Es wird leider nicht einfach, aber ich verspreche, dass es die Mühe wert ist.
Noch ein kurzes Wort, bevor es losgeht: Meine Schreibtipps sind wie ein Buffet. Ich serviere sie dir und du nimmst dir das, was dich anspricht und dir hilft. Ich mag es über den Tellerrand hinaus zu blicken und lasse mich von Bestseller-Autoren, preisgekrönten Drehbuchschreibern und herausragenden Schauspielern inspirieren. Ich mag es dagegen nicht, mich starr an Regeln zu halten. Ich kenne sie, ich hinterfrage sie und manchmal breche ich sie sogar. Denn jeder Mensch, jeder Autor, jeder Roman ist einzigartig, weshalb es auch keine universal gültigen Schreibtipps oder Regeln gibt.
Doch, eine gibt es: Hab Spaß! 🙂
Wie finde ich den richtigen Handlungsort?
Mache dir eine Liste, in der du alle deine Lieblingsorte aufzählst. Vielleicht hast du schon eine mit Urlaubszielen, die du nutzen kannst?
- Kontinente, Länder, Städte, Wüsten, Flüsse oder Landschaften.
- Gebäude, in denen du gerne Leben würdest. Villa, Palast, Landhaus, Eigentumswohnung mit Blick auf die Skyline, Haus mit Meerblick, Raumstation, usw.
- Hast du vielleicht sogar einen Lieblingsraum, den du in deiner Wohnung oder deinem Haus hast oder haben möchtest? Begehbarer Kleiderschrank oder gar einen Panikraum
- Sehenswürdigkeiten, die du gerne besichtigen würdest.
- Gebäude oder Gegenden, in denen du nicht gerne Leben würdest. Hochhaussiedlung, verlassene Stadt im Wilden Westen, Abbruchhaus, Kriegsgebiet, usw.
Wenn du dich für einen Handlungsort entscheidest, der dich selbst begeistert, wird das beim Schreiben mit einfließen und das merkt der Leser. Aber sei dir bewusst, dass deine Abneigung ebenso lesbar sein wird. Und wenn dir ein Setting egal ist, kannst du davon ausgehen, dass dieses Gefühl ebenfalls bei deinem Leser ankommt.
Ist die Liste fertig, verfeinere sie. Streiche die Orte, die nicht zu deinem Thema passen.
Fertig? Gut. Dann überlege, wie du jeden Ort auf deiner Liste nutzen kannst, um die Beziehung zwischen deinen Charakteren zu spiegeln. Streiche diejenigen, die du nicht verwenden kannst.
Zum Beispiel kannst du eine Liebesgeschichte durchaus in der Wüste oder im Dschungel ansiedeln. Wenn deine Protagonisten dort einen Überlebenskampf ausfechten müssen, kann dieser symbolisch für den Kampf um das Überleben ihrer Beziehung stehen.
Recherche vor Ort oder im Internet?
Meiner Erfahrung nach ist die persönliche Recherche vor Ort absolut vorzuziehen. Wenn du es irgendwie schaffen kannst, dann reise selbst an deinen Handlungsort und erlebe ihn mit all deinen Sinnen.
Wie riecht es dort? Wonach schmeckt die Luft? Wie fühlt sich die Hauswand an? Welche Geräusche nimmst du wahr? Ist es laut oder leise? Wie wirkt der Ort auf dich? Welche Gefühle löst er in dir aus?
Wenn du selbst vor Ort bist, kannst du all die kleinen Details wahrnehmen, die dir beim Schreiben helfen, den Leser voll und ganz in deine Geschichte eintauchen zu lassen. Diese Details machen oft den Unterschied zwischen einem Roman und einem Bestseller aus.
Gerade wenn du dir real existierende Handlungsorte aussuchst, und sie namentlich in deinem Roman erwähnst, solltest du peinlich genau darauf achten, diese korrekt zu beschreiben. Die Chance ist groß, dass dein Leser schon einmal dort im Urlaub war und ganz genau weiß, dass die gerade von dir beschriebene Szene so nicht stattgefunden haben kann.
Ein weiterer Vorteil ist, dass du selbst fragen stellen und dich mit den Leuten unterhalten kannst, die dort leben. Oftmals haben sie eine ganz eigene Sicht, die du für den Roman nutzen kannst.
Ab und zu kann die Besichtigung eines Handlungsortes sogar Antwort auf Probleme mit dem Plot geben. Bestseller-Autor Dan Brown kam die Lösung für die finale Szene in seinem Buch Origin erst, als er die Sagrada Familia besichtigte. Er fand eine Spiraltreppe, die ihn dazu inspirierte, genau dort jemanden sterben zu lassen.
Hast du keine Möglichkeit zu reisen, stehen dir trotzdem einige Alternativen zur Verfügung. Zum Beispiel YouTube, Google Earth oder Reiseblogs. Bei den Blogs kannst du sogar versuchen, mit den Blogbetreibern in Kontakt zu treten, um sie zu interviewen.
"Show don't tell" gilt auch für den Handlungsort
So blöd es sich auch anhören mag, aber wenn du einen Handlungsort beschreibst, tu es nicht wie folgt: »Links war ein Stuhl, rechts der Tisch, dahinter die Tür zum Wohnzimmer.« Das interessiert wirklich niemanden. Es hilft auch nichts, wenn du das Mobiliar detaillierter beschreibst. Es bleibt trotzdem belanglos.
Anders sieht es dagegen aus, wenn du Gegenstände einbringst und diese mit Bedeutung auflädst. Zum Beispiel ist der Raum in einem alten Herrenhaus schmutzig und von Spinnweben übersät. Nur das Bild von einem kleinen Mädchen ist sauber und der Rahmen an einer Stelle abgegriffen.
Schon hast du mit einem kleinen Detail den Raum beschrieben, die Bewohner charakterisiert und die Handlung vorangetrieben.
Nutze alle deine Sinne und beschreibe den Raum so, dass er zwischen den Zeilen ein Gefühl vermittelt. Was enthüllt er über den Charakter, durch dessen Augen der Leser den Raum sieht? Was enthüllt er über die Bewohner?
Schreibübung: Den Handlungsort aus verschiedenen Perspektiven beschreiben
Wenn du einen Handlungsort beschreibst, tust du dies in erster Linie für den Leser. Dabei solltest du aber immer die Erzählperspektive beachten. Beim personalen- und Ich-Erzähler, erlebt der Leser die Geschichte durch die Augen des gerade erzählenden Charakters.
Überlege also, was für einen Fokus der Charakter bei der Beschreibung deines Settings hat. Um das zu üben kannst du irgendeinen beliebigen Handlungsort aussuchen. Dann wähle zwei verschiedene Charaktere und beschreibe den Ort aus deren Sicht.
Zum Beispiel:
- eine Fünfjährige
- ein Rentner Ehepaar
- ein Student, auf dem Weg zur Party
- ein Obdachloser
- ein Polizist
- ein Makler
- ein Tourist
Wo ein Polizist Gefahr sieht, sieht ein Obdachloser einen trockenen Schlafplatz und der Makler eine Investitionsmöglichkeit.
Die Gefahr mit dem Handlungsort
Am Anfang sagte ich, dass du dir einen Handlungsort auswählen sollst, der dich selbst begeistert. Das ist richtig. Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass du dich nicht in den Beschreibungen und in deiner Verliebtheit verlieren solltest. Sonst läufst du Gefahr, dass sich dein Roman liest wie ein Reisetagebuch.
Entscheide dich für einen interessanten Handlungsort, beschreibe die wichtigsten Details und dann konzentriere dich wieder auf Plot und Charaktere.
Vergiss nie, dass deine Leser in erster Linie etwas über deine Charaktere lesen wollen. Nutze das Setting als Werkzeug, aber übertreibe es nicht.
Mein Fazit
Handlungsorte sollten ebenso speziell sein wie deine Charaktere. Du solltest bei der Planung mindestens so viel Zeit in sie investieren und sie nicht wie ungeliebte Stiefkinder behandeln.
Für mich sind Handlungsort, Thema und Charakter unmittelbar verbunden. Sie müssen in Harmonie ineinandergreifen, um aus deinem Roman etwas ganz Besonderes zu machen.
Hast du einen Charakterbogen, den du nutzt? Dann ergänze ihn um Orte, die zu dem Charakter passen und ihn beschreiben. Wenn der Charakter ein Ort wäre, wäre er …. Eine Wüste, ein Tropenparadies, ein Nachtclub, etc.
Machst du dir Gedanken um deinen Handlungsort? Oder war er dir bislang egal. Nimmst du vertraute Orte oder wählst du nach den „Trends“ in der Buchszene aus?
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, auch wenn du noch Fragen zu dem Thema hast.
Alles Liebe,
Anke
Hallo…ich bin noch recht neu im Land des Schreibens und sitze gerade an einem Liebesroman. Deine Beiträge und Tips helfen mir dabei sehr! Ich wollte gern wissen, ob man Ortsnamen oder Städtenamen auch vermeiden kann.Kann ich statt dessen auch Umschreibungen verwenden wie „hier in der stadt“ oder nur Straßen und viertel in denen gerade agiert wird beschreiben aber eben nicht benennen?
Viele Grüße und viel Erfolg weiterhin!
Hallo Susann, das freut mich sehr zu hören! 🙂 Wenn die Stadt oder der Ort keine weitere Rolle spielen, dann ja. Aber dann wäre die Frage, wieso du „hier in der Stadt“ überhaupt schreiben möchtest. Um deinen Lesern den Handlungsort greifbar zu machen, kannst du eher die Umgebungsgeräusche oder Gerüche mit einbeziehen und so die Sinne anregen. Dann musst du nicht schreiben, dass die Protagonisten sich „in einer Stadt“ befinden. Show don’t tell. 😉
Hallo,
Vielen Dank für das tolle Erklärung über Handlungsorte. Ich schreibe eine comicbuch und habe meine Handlungsort richtig gewählt soweit so gut, aber was mich Sorge bereitet ist, das ich rechtliche Probleme bekomme, wenn ich Gebäude von Banken und Geschäften zeichne. Kannst du über diese Thema Ratgebern.
Nochmal Vielen Dank für alles
Grüße
Hassan FM
Hallo, liebe Loki,
vielen lieben Dank für diesen tollen Beitrag. Als Sachbuch-Autorin versuche ich mich nun an meinem ersten Kriminalroman, der meine Expertise als Psychologin beinhaltet. Mal schau’n, wie’s wird.
LG – Die Tanja
Hey Tanja,
sehr gerne. 🙂 Das hört sich ja mega spannend an! Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und vor allem Spaß beim Schreiben. Wenn ich helfen kann, melde dich gerne. 😉
Liebe Grüße,
Anke
Super Inspiration, Dankeschön!
Sehr gerne 🙂