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Das Geheimnis packender Dialoge

Was macht eigentlich einen guten Dialog aus?

Diese Frage stelle ich mir jetzt seit zehn Jahren. Vor allem dann, wenn der Cursor mich aus meinem Manuskript heraus vorwurfsvoll anblinkt, weil mir nichts einfällt. Mit Schweißperlen auf der Stirn versuche ich dem Charakter etwas eloquentes zu entlocken, das den Leser vom Sofa haut, aber er bleibt stumm wie ein Fisch.

Um diesen Frust zu überwinden befrage ich gerne die Menschen, die meiner Meinung nach hervorragende Dialoge schreiben können. 

«Wenn wir damit anfangen über Dialog zu reden, dann sprechen wir über den am wenigsten lehrbaren Teil des Schreibens», sagt Aaron Sorkin, preisgekrönter Drehbuchautor von Filmen wie «Eine Frage der Ehre» oder «The Social Network». Auch er verzweifelt regelmäßig daran, obwohl er seit 1989 Drehbücher und Theaterstücke schreibt. «Dialog zu schreiben ist wie komponieren», sagt Sorkin weiter. «Sprache folgt einem gewissen Rhythmus. Wenn ich schreibe, ist der Klang der Worte für mich genauso wichtig, wie ihre Bedeutung.»

Das zu hören war für mich ein kleiner Aha-Moment. Bislang hatte ich nur darauf geachtet, die grammatikalisch richtigen Wörter zu verwenden. Erst bei einer meiner Lesungen fiel mir auf, dass der Satz «irgendwie komisch» klang.

Ein Tipp von ihm ist: Bring dich selbst in die Emotionen, die deine Charaktere gerade fühlen, und überlege, was und wie sie es sagen. Spiele die Szene einmal für dich durch. Je nach Gefühlslage sprichst du anders. Bei Aufregung höher, schneller, mit kürzeren Sätzen. Bei Nervosität langsamer bis hin zum Stottern und wenn du glücklich und zufrieden bist, braucht es manchmal gar keine Worte.

Ein weiterer Held, wenn es um Dialoge geht, ist für mich David Mamet. Wenn du kannst, schau dir sein Theaterstück «Oleanna» an. Das wird immer mal wieder an deutschen Theatern aufgeführt. Bei YouTube gibt es auch kostenlos die Verfilmung mit William H. Macy zu sehen, allerdings nur auf Englisch (Hier klicken, um zu YouTube zu wechseln).

90 Minuten lang schafft Mamet es, die Handlung lediglich durch Dialog voranzutreiben und das mit zwei Figuren, die den jeweils anderen einfach nicht verstehen können oder wollen. Das Setting verändert sich nicht und es gibt auch keine Nebenfiguren (zumindest keine On-Stage, also auf der Bühne).

Schauen wir uns aber nun einmal an, was du konkret üben kannst, um an die Dialog-Meister ranzukommen.

Noch ein kurzes Wort, bevor es losgeht: Meine Schreibtipps sind wie ein Buffet. Ich serviere sie dir und du nimmst dir das, was dich anspricht und dir hilft. Ich mag es über den Tellerrand hinaus zu blicken und lasse mich von Bestseller-Autoren, preisgekrönten Drehbuchschreibern und herausragenden Schauspielern inspirieren. Ich mag es dagegen nicht, mich starr an Regeln zu halten. Ich kenne sie, ich hinterfrage sie und manchmal breche ich sie sogar. Denn jeder Mensch, jeder Autor, jeder Roman ist einzigartig, weshalb es auch keine universal gültigen Schreibtipps oder Regeln gibt.

Doch, eine gibt es: Hab Spaß! 🙂

Imitiere keine echten Unterhaltungen

Die Krux an Dialogen in Romanen ist ja, dass sie sich wie echte Unterhaltungen lesen lassen sollen, aber keine echten sein dürfen. Ich erkläre dir auch wieso.

Unterhaltungen im echten Leben beinhalten viele «Ähm», «mmmhh», «öhm», usw. Diese Denkpausen solltest du in Romanen vermeiden. Ebenso wie Smalltalk und Wiederholungen.

Dialog in Romanen ist immer ein Stück intelligenter und geistreicher als im echten Leben. Die Denkpausen kannst du als Autor beim Schreiben machen, bis dir etwas geistreiches eingefallen ist, was deine Figur dann «spontan» im Roman sagt.

Lege deinen Fokus immer darauf, was genau die Charaktere haben wollen und was sie für eine Taktik anwenden, um es zu bekommen. Schmeicheln, drohen, beschimpfen, erpressen, verhandeln oder so geschickt argumentieren, dass der Gesprächspartner gar nicht anders kann als zuzustimmen?

Dialoge haben immer einen Zweck

Sie sollen immer und ohne Ausnahme mindestens eines dieser Dinge tun:

  • Handlung vorantreiben
  • Charakter enthüllen
  • Konflikt / Spannung zwischen den Charakteren zeigen
  • wichtige Informationen liefern

Ansonsten hat ein Dialog keine Daseinsberechtigung. Auch wenn er noch so wundervoll geschrieben ist …

Grundsätzlich gilt, genau wie bei Szenen, das Credo «spät rein, früh raus.» Also so spät wie möglich in die Unterhaltung einsteigen, eines oder mehrere der oben genannten Dinge abliefern und dann wieder raus aus der Unterhaltung.

Inquit-Formel verwenden

Die Inquit-Formel ist nichts anderes als die Einleitung der wörtlichen Rede. Dabei ist es egal, ob diese am Anfang, in der Mitte oder am Ende der Figurenrede steht. Sie besteht aus einem Nomen oder Pronomen und einem Verb des Sagens. Zum Beispiel:

«Gibt es noch Kuchen?», fragte Hans.

«Sagen» und «fragen» genügen völlig und haben den Vorteil, dass man sie beim Lesen nicht wahrnimmt. Falls du dazu neigst, deine Inquit-Formeln mit Adverbien zu versehen, rate ich dir dringend davon ab. Nutze stattdessen Handlung, um zu zeigen, wie jemand einen Satz betont.

Als Antwort auf die Frage von Hans könntest du jetzt entweder schreiben:

«Du bist spät», sagte Anna vorwurfsvoll.

Oder aber du lässt es den Leser selbst spüren, was Anna gerade für eine Laune hat:

«Du bist spät», sagte Anna und knallte das Besteck auf den Tisch.

Was der Charakter sagt (zusammen mit der Handlung und Körpersprache) genügt dem Leser, um zu verstehen, wie sie es sagt und meint.

Mache deutlich, wer gerade spricht

Jeder Charakter sollte eine unverkennbare Art haben, wie er «spricht». Die Großmutter hat einen anderen Wortschatz als ihr Enkel. Ein Manager redet anders als ein Bauarbeiter. Bei vielen Charakteren in einem Dialog (zum Beispiel beim Essen mit der Verwandtschaft) kann dies jedoch verwirren.

In dem Fall kannst du dem Leser noch Handlung oder Gedanken der Figur mitgeben, damit er besser einordnen kann, wer gerade spricht (so wie ich es oben mit Hans und Anna getan habe). Du solltest nur daran denken, wo du diese Stilmittel einfügst. Tust du es am Ende der wörtlichen Rede, wird der Leser glauben, dass diese Handlung oder der Gedanke zu der Person gehört, die gerade gesprochen hat.

Ist dies nicht so, solltest du die Handlung oder den Gedanken in eine neue Zeile packen.

Dialekt, Slang oder technische Sprache

Hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Zuviel davon reißt den Leser aus der Geschichte und im schlimmsten Fall findet er den Weg nicht mehr zurück.

Wenn du Regionalromane schreibst, verwende besser spezifische Wörter oder Redewendungen, anstatt die Schreibweise der Wörter zu verändern.

In Hessen sagt man zu einer Decke «Kolter». Ein Obstmesser ist ein «Kneipchen» und Apfelwein heißt «Äppler». Ich muss also nicht den ganzen Roman im Dialekt schreiben. Die Wörter einzubauen reicht völlig aus und nervt den Leser nicht.

Dialog, der zu viel verrät

Vermeide es, Charaktere Dinge sagen zu lassen, die sie schon längst wissen, nur um es dem Leser auch noch schnell mitzuteilen.

Beispiel:

«Wie du weißt, Mama, habe ich letztes Jahr geheiratet.»

«Ja, und ich erinnere mich, dass du fast kalte Füße bekommen hast.»

«Ja, danke nochmal, dass du mir damals ins Gewissen geredet und meine Hochzeit gerettet hast.»

Wenn diese Information wichtig ist, dann finde einen anderen Weg, sie dem Leser mitzuteilen. Vermeide ebenso, etwas in Dialog zu packen, was du genauso gut durch Handlung mitteilen kannst.

Dialog dient nicht dazu, deine persönliche Meinung zu transportieren

Deine Aufgabe ist es, den Leser zu unterhalten, nicht zu belehren.

Ihn zum Nachdenken anzuregen und ihm dein gewähltes Thema mit all den Facetten und Vor- und Nachteilen aufzuzeigen, damit er sich selbst eine Meinung bilden kann.

Wenn du deine persönliche Meinung vertrittst, ist das super. Aber solange es keinen Grund innerhalb der Geschichte dafür gibt, tue sie lieber in Form eines Leserbriefs oder Postings auf Social Media kund.

Die Macht der Stille in einem Dialog

Eine der schwersten Dinge, die ein Schriftsteller meistern muss, ist die Stille in einem Dialog nicht mit Worten zu füllen, sondern sie einfach wirken zu lassen. Genau wie du nicht darüber schreiben solltest, was nicht in der Geschichte passiert ist, brauchst du auch nicht zu schreiben, dass jemand nicht antwortet. Dein Leser wird es trotzdem wissen.

Beispiel:

“Also,” sagte Anna, “was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?”

Hans biss die Zähne zusammen und starrte aus dem Fenster.

“Ich warte,” sagte sie.

Er zündete sich eine Zigarette an.

Anna schüttelte den Kopf. “Ich werde dich verlassen, Hans.”

Genau jetzt fühlt man sich berufen zu schreiben: «Er verweigerte ihr weiterhin die Antwort.» Oder: «Aber Hans blieb still».

Mach das bitte nicht. Dein Leser ist nicht blöd. Er/Sie weiß was vor sich geht, denn obwohl Hans nichts sagt, sagt er damit doch alles.

Mein Fazit

Vertraue deinem Leser. Es ist absolut okay, Dialoge mit Subtext zu haben und nicht jedes kleine Detail auszuplaudern.

Gerade im Krimi oder Thriller wollen wir doch unser Gehirn anstrengen und miträtseln. In Subtext und Stille schwingen so viele Hinweise mit, das es eine Freude ist zu raten. Aber auch im Liebesroman drückt richtig eingesetzte Stille so viel mehr Emotion aus, als es wörtliche Rede jemals könnte.

Für mich ist der ultimative Tipp der, dass du dir die Dialoge laut vorliest. Oder, noch besser, sie dir vorlesen lässt. Dabei hörst du sofort, wenn etwas zu hölzern klingt oder welche Stellen nicht funktionieren.

Eine Anmerkung noch: In diesem Artikel bin ich nicht auf die Satzzeichen bei wörtlicher Rede eingegangen. Das ist zwar ein häufiger Fehler in Manuskripten, aber da haben schon einige andere tolle Artikel zu geschrieben und es gibt zudem diese Seite, auf der alles genau erklärt ist: www.wörtlicherede.de

Vielleicht erweitere ich die Ressourcen-Bibliothek für meine Newsletter-Abonnenten demnächst noch um einen Spickzettel für die Satzzeichen. 😉

Jetzt interessiert mich natürlich, wie dein Verhältnis zu Dialogen ist. Fallen sie dir leicht? Nutzt du viel Subtext oder bist du ein Freund davon, alles für den Leser klar zu transportieren?

Schreib es mir gerne in die Kommentare.

Alles Liebe,

Ankes

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Franziska

    Liebe Ankes,

    vielen Dank für deinen tollen Beitrag. er kam zur rechten Zeit. ich bin gerade am überarbeiten und habe mich gefragt ob ich zu wenig Dialoge habe. Du hast mir die Zweifel genommen. Am schwierigsten finde ich es, darauf zu achten den Charakteren unterschiedliche Sprachstils zu geben. Mein Stil ist eher einfach und klar. in Dialogen muss es aber auch mal anders sein, wenn die Person eher kompliziert und umständlich ist. Das ist für mich dann die Herausforderung.

    Herzliche Grüße Franziska

    1. LektorinAnke

      Hi Franziska,
      super! Freut mich, dass ich dir helfen konnte. 🙂
      Viele Grüße
      Anke

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